Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

Dermatologie und Venerologie

Der Vertrauensarzt wird mit Fragen zur stationären Abklärung und Behandlung schwerer entzündlicher Hautkrankheiten, schwerer allergischer Krankheiten und Arzneimittelexantheme, schwerer kutaner Tumorleiden sowie chronischer Wunden konfrontiert. Gelegentlich muss der Einsatz von Off-Label-Anwendungen geprüft werden. Die Risikobeurteilung stützt sich auf den Ausgangsbefund, den bisherigen Verlauf sowie die Behandlungschancen.

1. Geburtsgebrechen

Die Kosten der Behandlung der untenstehenden Hauterkrankungen bei Erwachsenen, vor Vollendung des 20. Altersjahrs sofern nicht von IV übernommen werden von der OKP übernommen (Art. 19a Absatz 1 KLV):

  • Dysplasia ectodermalis
  • Angeborene blasenbildende Hautkrankheiten (Epidermolysis bullosa hereditaria, Acrodermatitis enteropathica und Pemphigus benignus familiaris chronicus
  • Angeborene Halszysten, -fisteln, -spalten und -tumoren (Reichert'scher Knorpel)
  • Haemangioma cavernosum aut tuberosum
  • Vaskuläre Malformationen
  • Lymphangioma congenitum, sofern Operation notwendig ist
  • Neurofibromatose
  • Tuberöse Sklerose-Komplex

Schwere entzündliche Hautkrankheiten

2.1. Psoriasis

Seit der Einführung der Biologika-Therapie kann die schwere und ausgedehnte Psoriasis in 80% der Fälle weitgehend (PASI 70) oder vollständig (PASI 90) in Remission gebracht werden. Patienten mit schwerer therapierefraktärer Psoriasis oder Kontraindikationen zu einer Biologika-Therapie erfahren auch heute noch eine stationäre Behandlung: Ausgedehnte, refraktäre klassische Psoriasis en plaques, generalisierte Psoriasis im akuten Schub (z.B. Erst-Manifestation, oder bei Therapie-Umstellung), Psoriasis der Haut in Kombination mit Psoriasis-Arthropathie im akuten Schub, pustulöse Formen der Psoriasis, invalidisierende Psoriasis der Hände und Füsse.

PUVA-Behandlung (Anhang 1 KLV).

2.2. Generalisiertes atopisches Ekzem

Das schwere und generalisierte atopische Ekzem muss in vielen Fällen stationär behandelt werden. Die Einführung der ersten Biologika könnte hier eine Verbesserung der Lage bringen. Mit einer intensiveren Lokaltherapie, wie sie im ambulanten Rahmen praktisch nicht durchgeführt werden kann, erreicht man meistens eine Stabilisierung des Hautzustandes auf einem niedrigeren Niveau der Entzündung.

Das Eczema herpeticatum bedarf ebenfalls häufig einer Hospitalisierung zur intravenösen Therapie mit Virostatika (5 Tage, 8-stündlich) und Antibiotika gegen Staphylococcus aureus.

2.3. Generalisiertes Ekzem anderer Ursache, idiopatisches chronisches Ekzem im Alter, Purigo simplex subacuta

Insbesondere im Alter können Personen mit trockener Haut schwere generalisierte Ekzeme entwickeln. Hier gelten die Aussagen unter Punkt 2.2. analog.

2.4. Pityriasis rubra pilaris

Die Pityriasis rubra pilaris ist ein seltenes, eigenständiges Krankheitsbild mit Hautmanifestationen, welche entfernt an eine Psoriasis erinnern. Das Befallsmuster unterscheidet sich von der Psoriasis und der Verlauf ist sehr langwierig und bei einem Teil der Patienten sehr schwer im Sinne einer monate- oder jahrelangen Erythrodermis mit schwerer Alopezie. Längere Hospitalisierungen sind oft nötig, um den Hautzustand zu stabilisieren. Seit einigen Jahren werden Zunehmend werden Biologica eingesetzt (OLU).

2.5. Generalisierter Hautausschlag seltener Ursache

Seltenerer Ursachen, wie z.B. Pemphigoid (im Alter relativ häufig). Pemphigus vulgaris (selten) oder kutane Erbkrankheiten wie Dyskeratosis follicularis (Morbus Darier) oder Pemphigus chronicus benignus familiaris (Morbus Hailey-Hailey) können eine intensive und grossflächige Lokaltherapie erfordern, die nur stationär gewährleistet werden kann.

3. Schwere Arzneimittelexantheme (AME)

3.1. Ausgedehntes makulopapulöses AME

Das makulopapulöse AME ist die häufigste Form. Bei ausgeprägtem Verlauf ist eine Hospitalisierung indiziert. Die Behandlung erfordert dann einen kurzen und hoch dosierten Einsatz systemischer und optimalerweise ergänzt durch den grossflächigen Einsatz topischer Glukokortikoide. In circa 5% aller stationären Behandlungen treten AME auf. Bis zum kompletten Abklingen eines makulopapulösen AME verstreichen meistens 3-4 Wochen.

3.2. Akute generalisierte exanthematische Pustulose AGEP

AGEP ist die leichteste Form der schwer verlaufenden AME. Sie kann letal enden (<1%). Das Exanthem besteht aus einem Erythem mit zahlreichen kleinen sterilen Pusteln, die vorwiegend rund um die grossen Körperfalten (Axillen, Leisten) gruppiert sind. Der AZ ist mässig reduziert und meistens besteht ein Status febrilis. In ungefähr 80% der Fälle sind Betalaktam-Antibiotika der Auslöser. In vielen Fällen ist aufgrund der Ausprägung der Erkrankung eine stationäre Therapie indiziert. Die Behandlung erfordert einen kurzen hoch dosierten Einsatz systemischer ergänzt durch grossflächigen Einsatz topischer Glukokortikoide.

3.3. Drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms DRESS

DRESS ist ein schwer verlaufendes AME. Sie kann letal enden (~3%). Die Klinik besteht in einem schweren, oft erythrodermatisch verlaufenden Exanthem mit stark reduziertem Allgemeinzustand, Fieber, massiver Lymphknotenschwellung, Splenomegalie, Eosinophilie und Hepatitis. Häufigste Auslöser sind Antiepileptika, Allopurinol, Antibiotika und NSAR. Die Behandlung erfordert einen kurzen hoch dosierten Einsatz systemischer und optimalerweise ergänzt durch den grossflächigen Einsatz topischer Glukokortikoide. Der Verlauf zieht sich über 8-12 Wochen hinweg, wobei die ersten 2-3 Wochen in stationärer Behandlung erfolgen. Die orale Therapie mit systemischen Glukokortikoiden erfolgt über 6-10 Wochen über die Hospitalisierung hinaus, in langsam absteigender Dosierung.

3.4. Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) – Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) – Komplex

Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) (bis 10% Körperoberfläche, KOF), SJS-TEN-Overlap (10-30% KOF) und die toxische epidermale Nekrolyse (TEN, Lyell-Syndrom) (>30% KOF) sind die schwerste Form des AME (Letalität je nach Befall der KOF, Alter und AZ zwischen 10 bis nahezu 100%). Häufigster Auslöser sind Allopurinol, Antiepileptika, NSAR und Antibiotika. Die Einführung der Therapie mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG), 3g/kg, über drei Tage verteilt, hat die Letalität deutlich abgesenkt. SJS-Overlap und TEN erfordern eine technisch sehr aufwändige Therapie auf einer Intensivstation für brandverletzte Patienten. Die Folgen einer TEN sind meistens gravierend (Schleimhaut-Synechien an Augen und genital, Verlust der Nägel und Haare, schwere Pigmentverschiebungen) und können eine monate- bis jahrelange Nachbehandlung nötig machen.

3.5. Andere, seltenere schwere Formen von AME

  • Symmetric drug-related intertriginous and flexural exanthema (SDRIFE), synonym: Baboon syndrome
  • Erythema exsudativum multiforme maius
  • Generalisiertes fixes toxisches Arzneimittelexanthem
  • Lineäre IgA-Dermatose als AME auf Antibiotika, häufig Vancomycin-assoziiert

4. Schwere kutane Tumorleiden

Der «Nicht-Melanom-Hautkrebs» (non melanoma skin cancer) ist das häufigste invasive Karzinom des Menschen. Für die Schweiz rechnet man mit rund 25'000 Neuerkrankungen pro Jahr, wovon ca. 20'000 das Basalzellkarzinom und circa 5'000 das spinozelluläre Karzinom betreffen. Hinzu kommen einige hundert Fälle wie Merkelzellkarzinom, verschiedene Adnextumore der Talg- und Schweissdrüsen und kutane Sarkome.

Darüber hinaus sind rund 30-40% der Bevölkerung > 65j von mehr oder weniger ausgeprägten Formen der aktinischen Keratose (in situ-Form des spinozellulären Karzinoms) betroffen. Immer mehr Personen leiden an einer sogenannten Feldkanzerisierung der gesamten Kopfhaut, ganzer Gesichtsareale (Stirne, Schläfen, Nase), der Unterschenkel oder des Oberkörpers. Grossmehrheitlich werden die diversen Formen der Feldkanzerisierung ambulant mit Curettage, Kryo- und photodynamischer Therapie sowie weiteren Topika wie Ingenolmebutat (Picato-Gel®) oder 5-Fluorouracil behandelt.

Die grossen Exzisionsdefekte nach einer histologisch-schnittrandkontrollierten R0-Resektion ausgedehnter oder infiltrativer Hauttumore erfordern eine aufwändige Rekonstruktion mit Nahlappenplastiken oder Hauttransplantaten, die aufgrund der aufwändigen postoperativen Betreuung (engmaschige Kontrolle hinsichtlich postoperativer Blutung, Lappen-Vitalität, lokaler Ödementwicklung) nicht ambulant durchgeführt werden können.

Die Inzidenz von Hautkrebs steigt mit zunehmendem Alter. Betagte, multimorbide Patienten unter Polymedikation benötigen in der Regel ebenfalls eine stationäre Betreuung. Analog zu jüngeren Patienten benötigen betagte, fragile Patienten ebenfalls eine engmaschige Kontrolle hinsichtlich postoperativer Blutung, Lappen-Vitalität und lokaler Ödementwicklung.

4.1. Basalzellkarzinom (BCC), lokal fortgeschritten oder metastasierend

Folgende Situationen können eine stationäre Therapie erforderlich machen:

  • (A) Grossflächige oder tief infiltrative mikronoduläre, szirrhöse oder Rezidiv-BCC sowie alle sehr grossen BCC (unabhängig von der Histologie). In diesen Fällen ist immer eine Resektion unter lückenloser Schnittrandkontrolle (am Schnellschnitt oder bei sehr grossen Befunden am formalin-fixierten Exzidat) indiziert. Die Exzisionsdefekte sind meistens 0.8 – 2.0 cm grösser (Durchmesser), als der von Auge erkennbare Tumor. Die Rekonstruktion kann dann eine grossflächige Nahlappenplastik (z.B. grosse Verschiebelappen oder Nahlappenplastik) oder einer interpolierte Lappenplastik (z.B. eine Stirnlappenplastik) erfordern. In diesen Fällen ist eine stationäre Therapie indiziert.
  • (B) Fragile, typischerweise polymorbide und antikoagulierte Patienten, welche sich einer chirurgischen Exzision eines grösseren Basalzellkarzinoms unterziehen müssen, benötigen oft eine stationäre Therapie. Demente Patienten werden häufiger tageschirurgisch in Tumeszenz-Lokalanästhesie behandelt, um deliranten Zuständen vorzubeugen.

Metastasierende BCC können chirurgische Massnahmen, eine Radiotherapie oder eine gezielte Therapie (z.B. mit einem Smoothened-Inhibitor wie Vismodegib (Erivedge® Limitatio) oder Sonidegib (Odomzo® Limitatio) erfordern.

4.2. Spinozelluläres Karzinom (SCC): Hochrisiko-Tumore oder metastasierend

Folgende Formen des SCC sind mit einem stark erhöhten Risiko des Lokalrezidivs (15-20%), der lokoregionären Metastasierung (10%) und tumorspezifischen Mortalität (3-5%) behaftet:

Klinischer horizontaler Tumordurchmesser > 2 cm, Tumordicke (am formalin-fixierten Ezisat) > 6 mm, schlechte histologische Differenzierung oder Entdifferenzierung, desmoplastisches Wachstumsmuster, Perineuralinvasion, Lokalisation Ohr und Unterlippe.

In diesen Fällen ist eine stationäre Therapie immer dann indiziert, wenn eine aufwändigere chirurgische Technik zum Einsatz kommt (mehr als Exzision mit + 1 cm Seitenabstand mit Direktverschluss) oder wenn die Patienten fragil, polymorbid oder antikoaguliert sind.

Metastasierende SCC können chirurgische Massnahmen, Radio-, Chemo- (z.B. Carboplatin) oder Immuntherapie (z.B. anti-PD1-Antikörper) erfordern.

4.3. Primäres kutanes Melanom, lokalisiert oder metastasierend

Molekulare Treiber-Mutationen im RAS-RAF-MEK-ERK-Signalweg.

  • Superfiziell spreitendes Melanom/SSM (60%): UV-induz., 55% BRAF, 20% NRAS, 10% NF1, 2-5% KIT-Mut
  • Noduläres Melanom/NM (15%): UV-induz., 55% BRAF, 20% NRAS, 10% NF1, 2-5% KIT-Mutation
  • Lentigo maligna Melaom/LMM (10%): UV-induziert, selten metastasierend
  • Akral-Lentiginöses Melanom/ALM (5%): 10% BRAF, 20% NRAS, 20% NF1
  • Melanome ohne Primarius (5%)
  • Aderhautmelanome: 80% GNAQ oder GNA11
  • Schleimhautmelanome: 20% BRAF, 15% RAS, 10% NF1
Indikation zur molekularpathologischen Untersuchung in Hinblick auf gezielte Therapien: N1-3, M1-3 (Link Pubmed).

Lymphknotenchirurgie

Aufgrund der aktuellsten Version der AJCC-Klassifikation des Melanoms wurden die Indikation zur Sentinellymphknotenbiopsie (Breslow-Index > 0.8 mm wenn ohne Ulzeration oder < 0.8 mm mit Ulzeration) und zur elektiven Lymphadenektomie (Tumorburden von > 2 mm im Sentinellymphknoten) angepasst (Link Pubmed).

Aus Gründen der Behandlungssicherheit werden die Sentinellymphknotenbiopsie (Komplikationen wie Serom in circa 10% der Fälle) und die elektive Lymphadenektomie (Komplikationen wie protrahiertes Serom in circa 30% und lymphologische Nachbehandlung in circa 50% der Fälle) stationär in Narkose durchgeführt. Wenn der Sentinellymphknoten in der Tiefe der drainierenden Lymphknotenstation lokalisiert ist, treten postoperativ gehäuft Serome auf. Diese Patienten benötigen postoperativeine Redon-Drainage. Nach einer elektiven Lymphadenektomie erhalten alle Patienten eine Redon-Drainage, die aufgrund der durchschnittlich hohen Fördermenge an Lymphe meistens mehrere Tage liegen bleibt.

Gezielte Therapien (Kombination BRAF- plus MEK- Inhibitor)

Rund 80% Ansprechen bei Vorliegen einer Mutation. In diesen Fällen blockieren BRAF- und MEK-Inhibitoren eine metastatische Erkrankung innert weniger Tage komplett und effektiv. In Kombination wirksamer, im Vergleich zu Monotherapie, bei weniger Nebenwirkungen. Nach 3-6 Monaten tritt ein Wirkungsverlust ein. Die gezielten Therapien werden derzeit vorwiegend als Rescue-Behandlungen eingesetzt. Ein Teil dieser schwerkranken Patienten muss – in Abhängigkeit von AZ und Metasierungsmuster stationär behandelt werden.

Immuntherapien (CTLA4-Inhibitoren, PD1-Inhibitoren)

Die Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren wirken unabhängig vom Mutationsmuster bei allen Melanomen, ausser den Aderhautmelanomen, gleichermassen gut. Die Wirkung tritt bei Kombinationstherapien in rund 60% und bei Monotherapien mit PD1-Inhibitoren in rund 50% bzw. mit CTLA4-Inhibitoren bei rund 40% verzögert nach 2-4 Monaten ein und kann zu lange anhaltenden Remissionen führen (Link Pubmed). Ein Teil dieser schwerkranken Patienten muss stationär behandelt werden. Talimogen Iaherparepvec (Imlygic®, Limitatio) wird intraläsional appliziert, führt in ca. 60% der behandelten Metastasen zur vollständigen und bei 10-15% zu einer systemischen Remission der Metastasierung.

4.4. Merkelzell-Karzinom, lokalisiert oder metastasierend

Das Merkelzellkarzinom ist ein seltener Hauttumor (Inzidenz 0.4 / 100'000 / a), der in der Mehrzahl der Fälle durch das onkogene Merkelzell-Polyomavirus MCPyV verursacht wird. Immunsuppression ist ein wichtiger Risikofaktor und reduziert die Überlebenschance von durchschnittlich ca 75% (bei früher Diagnosestellung, ohne Immunsuppression) auf ca 50%.

Der Primärtumor, eine halbkugeliger glänzender grössenprogredienter hautfarbener Knoten, zeigt keine spezifischen klinischen Charakteristika und wird meistens als histologischer Zufallsbefund entdeckt. Die Leitlinien empfehlen – in Analogie zum Hochrisiko-Melanom – eine Nachexzision mit + 2 cm Seitenabstand und eine Sentinellymphknotenbiopsie. Diese Situation erfordert oft eine Hospitalisierung.

Das Merkelzell-Karzinom ist strahlensensibel. Bei Metastasierung führt die Behandlung mit PD1-Inhibitoren in rund 30% zu einer länger anhaltenden Remission (Link Pubmed).

4.5. Mycosis fungoides (MF) und Sézary-Syndrom, adulte T-Zell-Leukämie

Anfangstherapie: PUVA, in Kombination mit topischen Glukosteroiden. Bei Progredienz Kombination mit Retinoiden (RePUVA) und Interferon-Alpha. Unter engem Monitoring der Lipidspiegel ist Bexaroten eine weitere effiziente Retinoidtherapie. Bei weiterer Progredienz Extrakorporelle Photopherese. Tumorstadium mit vereinzelten Knoten: Radiotherapie mit Röntgenstrahlen. Second Line Therapien bei weiterer Progression: Liposomales Doxorubicin, Gemcitabin, Ganzkörper-Bestrahlung mit schnellen Elektronen. Alemtuzumab (Lemtrada®, OLU), ein Anti-CD52-Antikörper, ist wirksam in der Therapie der fortgeschrittenen Mycosis fungoides und des Sézary-Syndroms. Schliesslich Evaluation einer Stammzelltransplantation. Polychemotherapie nach CHOP-Schema wird nur selten angewandt, da Komplikationen stark gehäuft, und Überleben möglicherweise verkürzt.

In den fortgeschrittenen Stadien können die Patienten nur noch mittels intermittierender stationärer Intensivtherapie einigermassen wirksam behandelt werden. In den Phasen stationärer Therapie kommen Modalitäten wie Ganzkörper-Tuchtherapien mit potenten Glukosteroiden zum Einsatz.

4.6. Primär kutane CD30-positive lymphoproliferative Erkrankungen

Die lymphomtoide Papulose ist eine indolente, oft selbstlimitierende Form einer CD30-positiven lymphproliferativen Erkrankung. Aktives Beobachten, begleitet von einer symptomatischen Lokaltherapie mit topischen Glukokortikoiden oder mit Radiotherapie ist gerechtfertigt.

Beim primär kutanen anaplastischen grosszelligen Lymphom werdenEinzelläsionen exzidiert oder bestrahlt. Bei Progredienz kommen Gemzitabin oder liposomales Doxorubicin zum Einsatz. Neueste Studien zeigen eine hohe Wirksamkeit des Anti-CD30-Antikörpers Brentuximab.

4.7. Reife B-Zell-Neoplasien

Primär kutane B-Zell-Lymphome sind selten, sie umfassen ca. 25% aller kutanen Lymphome. Das follikuläre B-Zell- und das Marginalzonenlymphom zählen zu den indolenten Lymphomen und weisen in der Regel keine systemische Disseminierung auf und zeigen eine nahezu unbeeinträchtigte Lebenserwartung. Meist reichen hier hautgerichtete Therapieverfahren (Exzision, Radiatio). Im Gegensatz dazu erfordern die seltenen aggressiven kutanen B-Zell- Lymphome wie das diffus-großzellige B-Zell-Lymphom oder das EBV (Epstein- Barr-Virus)-assoziierte B-Zell-Lymphom jedoch eine multimodale Therapie, die meist eine Immunchemotherapie mit R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednisolon) beinhaltet.

4.8. Weitere kutane Lymphome

In dieser Gruppe befinden sich sehr seltene Formen aggressiver kutaner Lymphome. Die Behandlung mittels Chemotherapie und Radiotherapie muss intermittierend stationär erfolgen. Bei CD30-Expression kommt der Einsatz von Brentuximab (Adcetris®, Limitatio) in Frage. In spezifischen Ausgangssituationen muss eine Stammzelltransplantation erwogen werden.

4.9. Kaposi-Sarkom, lokalisiert oder metastasierend

Klassisches Kaposi-Sarkom (mediterran, androtrop im Alter, HHV 8-assoziiert) Epidemisches Kaposi-Sarkom (AIDS, HHV 8-assoziiert) Medikamentöses Immunsuppression-assoziiertes Kaposi-Sarkom (HHV 8) Endemisches Kaposi-Sarkom (Zentralafrika, lymphatisches Kaposi-Sarkom).

Das klassische Kaposi-Sarkom ist ein relativ seltener, diffuser verteilter Gefässtumor der Haut und Körperorgane (z.B. Lungen), der auf eine Infektion mit humanem Herpesvirus 8 zurückzuführen ist, und gehäuft bei Männern mediterraner Herkunft gesehen wird. Initial ist der Verlauf meistens blande. Die zunächst vor allem akral auftretenden lividen Hautflecken sind sehr strahlensensibel. Bei zunehmender Ausbreitung über die Extremitäten ist die Elektrochemotherapie die Behandlung der Wahl (nahezu 100% klinische Remission).

Bei AIDS-assoziiertem Kaposi-Sarkom ist primär eine HAART erforderlich. Bei weiterer Ausdehnung und klinisch manifestem Organbefall ist liposomales Doxorubicin (Caelyx® Limitatio) die Therapie der Wahl.

Bei mit medikamentöser Immunsuppression assoziiertem Kaposi-Sarkom müssen die immunsuppressive Kombinationstherapie u/o die Dosis umgestellt werden.

5. Chronische Wunden

5.1. Venöses Ulcus cruris

Ungefähr 60-80% der venösen Ulzera heilen unter ambulanter Kompressionstherapie ab. In der Hälfte aller Patienten mit venösem Ulkus liegt der chronischen venösen Insuffizienz ein oberflächlicher (epifaszialer) Reflux der Stammvenen und ihrer Seitenäste zugrunde. Bei diesen Patienten beschleunigt die Sanierung des oberflächlichen Reflux die Ulkusheilung und reduziert die Rezidivrate.

Die ultraschall-gesteuerte Schaumsklerotherapie zur Verödung lokaler «Feeder Veins» unterstützt die Heilung venöser Ulzera.

Venöse Ulzera, die trotz aller geeigneten ambulanten Therapiemassnahmen keine Heilungstendenz zeigen (keine Flächenreduktion nach 4 Wochen leitlinien-gerechter Therapie), können mit Hautersatzverfahren behandelt werden. Damit heilen weitere 50% dieser anderweitig refraktären chronischen Wunden ab. Oberflächliche, gut konditionierte venöse Ulzera, bei welchen keine Epithelisierung zustande kommt, eignen sich am besten zur Therapie mit einem Hautersatzverfahren.

Ausgedehntere venöse Ulzera, tiefe venöse Ulzera und venöse Ulzera in einem Areal ausgeprägter Dermatoliposklerose erfordern ein tagentiale Fibrosektomie mit Spalthautverpflanzung (Shave Therapie). In ausgewählten Fällen steht die crurale Fasziektomie mit Spalthautverpflanzung zur Diskussion. Damit kann die Mehrzahl der besonders schwer behandelbaren venösen Ulzera zur Abheilung gebracht werden.

5.2. Gemischtes venös-arterielles Ulcus cruris

Es handelt sich um venöse Ulzera bei gleichzeitiger PVAK. Sie benötigen im Durchschnitt länger zur Abheilung und rezidivieren häufiger als venöse Ulzera. Die ambulante Kompressionstherapie wird mit reduziertem Andruck angewandt. Wenn sich die Wundfläche innert vier Wochen nicht verkleinert, wird eine arterielle Revaskularisation veranlasst (PTA, Endarterektomie oder Bypass). Damit wird aus dem gemischten venös-arteriellen Ulcus cruris ein venöses Ulkus. Gemischte venös-arterielle Ulzera benötigen häufiger eine Hospitalisierung zur chirurgischen Deckung als venöse.

5.3. Arterielles Ulcus cruris

Arterielle Ulzera werden alleine durch eine PAVK verursacht. Meistens liegt keine chronische kritische Extremitätenischämie vor, aber die Perfusion reicht für eine spontane Heilung nicht aus. Nach der arteriellen Revaskularisationsind die Wundschmerzen regredient, aber die spontane, sekundäre Wundheilung bleibt trotzdem meistens aus, vermutlich aufgrund der ungünstigen Lokalisation am lateralen Unterschenkel, wo praktisch kein Weichteilmantel besteht und die Haut bradytroph ist. Daher benötigt die Mehrzahl der Patienten eine Spalthautverpflanzung. Die arterielle Revaskularisation mit nachfolgender Spalthautverpflanzung mit Immobilisation erfordert einen stationären Aufenthalt.

5.4. Ulcus hypertonicum Martorell

ist eine spezifische Form von Hautinfarkt am laterodorsalen Unterschenkel und über der Achillessehe, der als Folge einer hypertensiven Arteriolosklerose der subkutanen Arteriolen zustande kommt. Das Ulcus hypertonicum Martorell ist relativ häufig, und wird aber oft nicht erkannt. Die Entstehung des Hautinfarkts ist ausserordentlich schmerzhaft. Die Behandlung besteht in einer Nekrosektomie, gefolgt von einer Unterdruck-Wundtherapie und einer relativ früh im Verlauf durchzuführenden Spalthautverpflanzung. Die tiefen, nekrotischen Wunden sind in der Mehrzahl der Fälle superinfiziert und benötigen eine systemische Antibiotikatherapie, bis das Spalthauttransplantat zumindest im Zentrum der Wundbasis einzuheilen beginnt. Oft ist die Nekrose im Wundrand dennoch progredient, was zwei und drei serielle Hauttransplantationen erfordern kann. Etwa die Hälfte der Patienten mit Ulcus hypertonicum Martorell hat eine PAVK, die arteriell revaskularisiert werden muss. In sehr ausgedehnten Fällen kommt zur Verbesserung der Durchblutung Natrium Thiosulfat als Kurzinfusion (10 g / 100ml) zum Einsatz, analog zur Therapie der Calciphylaxis.

5.5. Ecthyma gangraenosum

Massive Hautinfektionen durch gram-positive Keime (typischerweise beta-hämolysierende Streptokokken) und/oder gram-negative Keime (typischerweise Pseudomonas und weitere gram-negative Stämme) können zu rasch progredienten Hautnekrosen führen, mit Prädilektion der Unterschenkel. Immunsupprimierte Patienten und Personen mit Malnutrition sind stärker gefährdet (Link Pubmed).

Ausgedehnte Ecthymata benötigen eine stationäre Therapie mit resistenzgerechter, meistens intravenöser Antibiotikatherapie, Débridement und topischer Unterdrucktherapie (negative pressure wound treatment (NPWT). Grosse Wundflächen müssen meistens mit Spalthaut transplantiert werden.

5.6. Pyoderma gangraenosum

Ist eine seltene Form von Hautnekrose, als kutane Form «neutrophiler Erkrankungen», und tritt in ca. 20% der Fälle in Assoziation mit myeloischen Erkrankungen und in ca. 10% in Assoziation mit entzündlichen Darmkrankheiten auf. Die Therapie ist immunsuppressiv, in erster Linie mit Prednisolon und in zweiter Linie mit Ciclosporin, TNF-A-Blockern und weiteren immunmodulatorischen Arzneimitteln.

Wenn ein Pyoderma gangraenosum zu grossen und/oder multifokalen Hautnekrosen führt, kann eine Hospitalisierung unumgänglich sein.

5.7. Nekrotisierende Vaskulitiden

Systemische Vaskulitiden können sich ausschliesslich an der Haut manifestieren. Hinzu kommen einige ausschliesslich kutane Formen von Vaskulitis, die ausschliesslich das Hautorgan betreffen.

Vaskulitiden können multiple kleine, solitäre oder multiple grossflächige Hautnekrosen verursachen, deren Behandlung sehr aufwändig ist. Sie umfasst eine systemische Immunsuppression oder Immunmodulation, sehr oft Débridements, eine topische Unterdrucktherapie (negative pressure wound treatment NPWT) und schliesslich eine Spalthaut-Verpflanzung – meistens im Rahmen einer längeren (3-4 Wochen langen) Hospitalisierung.

5.8. Andere, seltene Formen von Ulcus cruris

Die makrovaskulären Ursachen (venös, gemischt, arteriell, Ulcus hypertonicum) sind für 80% der Fälle verantwortlich. Die anderen 20% betreffen Ecthyma (s.o.), Pyoderma gangraenosum (s.o.), Vaskulitis (s.o.), Bagatelltraumen bei Hautatrophie (Lazerationen oder «skin tears» bei «Dermatoporose»), maligne Hauttumore, sowie ungefähr dreissig weitere Diagnosen, die Unterschenkel-Ulzera verursachen. Viele dieser Wunden erfordern eine Hospitalisierung und einen multimodalen (dermatologisch-internistisch-chirurgisch-physiotherapeutischen) Therapieansatz (Link Pubmed).

6. Epilation

Die Kostenübernahme von Epilationsbehandlungen als Massnahme zur Geschlechtsanpassung beim Vorliegen einer Geschlechtsdysphorie erfolgt basierend auf Art 25 und Art 32 KVG nach folgenden Richtlinien:

Nadel-Elektro-Epilation als einzige wirksame Behandlung

  • bei sehr schwach pigmentiertem oder gar unpigmentiertem (grauem/weissen) Barthaar

Laser-Epilation bei

  • ausreichend pigmentiertem Barthaar
  • nach hormoneller Behandlung verbleibender Körper-Restbehaarung vom männlichen Behaarungsmuster/Typ

(Link Pubmed) / Link Pubmed).

Epilationsbehandlungen am Stamm oder an den Extremitäten bei Frauen mit mediterranem Behaarungstyp sind keine PL (Link Pubmed).

7. Intertrigo

Die Behandlung der Intertrigo erfolgt im Prinzip mittels Austrocknung der intertriginösen Feuchtigkeitskammern. Mikrobiologische Abstriche führen zum Nachweis der bakteriellen und/oder mykologischen (vor allem Candida) Besiedlung. Wenn lokal desinfizierende und antientzündliche (nicht-atrophisierende topische Glukokortikoide) nicht zur Abheilung führen, kommen systemische antibiotische Behandlungen zur Anwendung. Schwere Fälle von Intertrigo können refraktär oder progredient verlaufen, so dass eine Hospitalisierung unumgänglich wird. Während einer stationären Therapie ist es einfacher, die intertriginösen Feuchtigkeitskammern durch physikalische austrocknende Massnahmen zur Abheilung zu bringen.

8. Hämangiome, Naevi

Die interventionell-radiologische Behandlung arterio-venöser und venöser Malformationen mit «Gesichtshängiomen» (selektive Embolisationen, perkutane Sklerotherapien), sowie die Laserbehandlung bei Naevus teleangectaticus werden von der OKP übernommen (Anhang 1 KLV).

9. Condylomata acuminata

Die Inzidenz der wird infolge der Einführung der HPV-Impfung mit der Zeit rückläufig sein. Derzeit werden unkomplizierte Condylomata bei immunkompetenten Patienten mit topischem Podophyllotoxin (Condyline®, nicht SL), Imiquimod (Aldara®, SL) oder Sinecatechinen (Veregen®, SL) behandelt. Die Ansprechrate beträgt ca. 50%. Refraktäre oder sehr ausgedehnte Befunde werden mit dem ablativen Laser (CO2-Laser oder ErYAG-Laser) abgetragen. Bei rein genitalen Befunden beträgt die primäre Remissionsrate ca. 80%, bei perianalen 50%, bei endoanalen weniger. Konsequente engmaschige Kontrollen und Nachbehandlungen (Topika oder erneut mit ablativem Laser), sind wichtig.

Die Behandlung grossflächiger peri- und endoanaler Befunde erfordert eine Narkose und ist postoperativ unter Umständen sehr schmerzhaft, was eine Hospitalisierung rechtfertigt.

Die Laserbehandlung bei Condylomata acuminata ist PL (Anhang 1 KLV).

10. Syphilis

Die Inzidenz der Syphilis steigt weltweit. Sie betrug in der Schweiz im Jahr 2016 1.7 Frauen und 15.7 Männer/100‘000 Einwohner (Seite BAG). Diagnose und Therapie erfolgen gemäss Europäischen Leitlinien (Link Pubmed), im Prinzip ambulant. Die Stadien II und III führen symptombedingt oft zu Hospitalisierung. Benzathinpenicillin i.m. ist Therapie der Wahl. Da in der Schweiz keine pharmazeutische Spezialität registriert ist, muss ein geeignetes Penicillin-Präparat aus einem EU-Staat importiert werden.

11. Dermatologische stationäre Rehabilitation

Patienten mit einer chronischen entzündlichen Hauterkrankung (chronische Ekzeme, Prurigo simplex subacuta, Psoriasis) können von einer dermatologischen Rehabilitation profitieren, wenn die Hautkrankheit so ausgeprägt ist, dass während der mittleren Verweildauer nach DRG (5 Tage) eine Remission nicht erreicht werden kann, oder wenn ein Selbstpflegedefizit besteht. Eine dermatologische Rehabilitation dauert im Normalfall zwei Wochen und erlaubt die Herbeiführung einer weitgehenden Remission der Hautkrankheit sowie eine fundierte Instruktion zur Selbstpflege. Damit können schwer hautkranke Patienten in einem relevant gebesserten Gesundheitszustand nach Hause entlassen und die Rezidivhäufigkeit gesenkt werden.

Patienten mit einem Ulcus cruris können von einer dermatologischen oder einer angiologischen Rehabilitation profitieren. Unter der Voraussetzung, dass eine allfällige arterielle Revaskularisation bereits im Vorfeld zur Hospitalisierung erfolgt ist, und das Wundbett bereits so weit wie möglich konditioniert ist, reicht die mittlere Verweildauer von 4.1 Tagen gerade für eine Hautverpflanzung bis und mit erstem Verbandwechsel. Die Nachsorge mit spezifischer Pflege des frisch einheilenden Transplantates, Oedem-Kontrolle und der Aufbau der selbständigen Mobilität benötigen je nach Beschwerdebild zwei bis vier Wochen stationäre Rehabilitation.

Juli 2019
Prof. Dr. med. Jürg Hafner

Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte

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